Der alljährlich am 3. März stattfindende Welttag des Hörens soll das Bewusstsein für die Prävention von Taubheit und Hörverlust schärfen. Dass dies nach wie vor dringend notwendig ist, zeigt die von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) veröffentlichte Statistik: Durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit ist seit vielen Jahren die häufigste Berufskrankheit.

Von den 2020 insgesamt anerkannten 910 Berufskrankheiten entfielen 439 Fälle auf durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit, das entspricht 48,2 Prozent. 2021 lösten durch COVID-19 bedingte Berufskrankheiten die Lärmschwerhörigkeit zwar von Platz 1 ab, die absolute Zahl an durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit blieb mit 559 Fällen aber weiterhin sehr hoch.

Lärm ist gesundheitsschädlich

Die für alle EU-Mitgliedsstaaten gültige EU-Richtlinie 2003/10/EC wurde in Österreich mit der Verordnung über den Schutz der Arbeitnehmer/innen vor der Gefährdung durch Lärm und Vibrationen (VOLV 22/2006) umgesetzt. Laut VOLV muss

  • ab einer 8-Stunden-Tageslärmbelastung von 80 dB(A) oder einem Spitzenschall von 135 dB(Cpeak) eine Information und Unterweisung erfolgen und geeigneter Gehörschutz zur Verfügung gestellt werden. Wenn Evaluierung oder Gesundheitsbeschwerden auf ein Gesundheitsrisiko hindeuten, ist auf Wunsch der Beschäftigten eine Gesundheitsüberwachung zu ermöglichen;
  • ab einer 8-Stunden-Tageslärmbelastung von 85 dB(A) oder einem Spitzenschall von 137 dB(Cpeak) geeigneter Gehörschutz getragen werden. Zusätzlich bestehen eine Kennzeichnungspflicht des Lärmbereichs, eine besondere ärztliche Untersuchungspflicht sowie die Verpflichtung zur Führung eines Verzeichnisses über die im Lärmbereich Beschäftigten. Vorrangig ist jedoch ein systematisches Maßnahmenprogramm festzulegen und durchzuführen, um den Lärm im Arbeitsbereich auf das in der Praxis vertretbare Niveau zu minimieren.

Gehörschutz korrekt anwenden

Lärmbedingte Schädigungen des Gehörs können durch Gehörschutz sicher und auf Dauer verhindert werden, aber nur dann, wenn dieser konsequent und korrekt getragen wird. Folgende Aspekte sind dabei unbedingt zu berücksichtigen: Gehörschützer müssen während der gesamten Zeit der Lärmbelastung getragen werden. Bereits eine gering verkürzte Tragedauer führt zu einer erheblichen Minderung der Schutzwirkung. In jedem Fall sollten allen Mitarbeitern auch bei Lärmentwicklung unterhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte Gehörschutzmittel zur Verfügung gestellt werden.

Die Dämmwirkung eines Gehörschützers ist frequenzabhängig. Wenn die Frequenzbereiche des bzw. der Lärmerreger (z.B. Maschine) bekannt sind (Frequenzanalyse), hat man dadurch die Möglichkeit, den Gehörschutz so auszuwählen, dass er den Lärmbereich entsprechend stark, den Kommunikationsbereich aber möglichst gering dämmt. Damit wird der Benutzer weniger isoliert.

Bei Gehörschutz wird zwischen Kapselgehörschützern, Gehörschutzstöpseln und Schallschutzhelmen unterschieden. Nähere Details dazu sowie für den Kauf wichtige Auswahltipps und Qualitätskriterien finden Sie im Kapitel „Gehörschutz“ in unserem „Handbuch Persönliche Schutzausrüstung“.

Im Interview

Wir haben mit unserem Experten Ing. Georg Frank-Zumtobel, 3M Application Engineer PSD, Sicherheitsfachkraft 3M Personal Safety Division, 3M D-A-CH Region, www.3Marbeitsschutz.at, über die Gefährlichkeit von Lärm und Persönliche Schutzausrüstung (PSA) zur Prävention von Lärmschwerhörigkeit gesprochen.

M.A.S: Welche Auswirkungen hat Lärm und was macht Lärm so gefährlich?

Oft merken wir gar nicht, wie Lärm unser Gehör aktiv schädigt. Doch für unser Ohr können auf uns einwirkende Schallwellen eine große Belastungsprobe darstellen. Kurzzeitige Lärmbelastungen resultieren nicht selten in vorübergehender Taubheit – regelmäßige Ruhepausen bringen hier oft Erholung für unsere Ohren. Ein lang andauernder, hoher Geräuschpegel hingegen kann die empfindlichen Flimmerhärchen in unserem Ohr langfristig schädigen, bis diese sich nicht mehr erholen und schließlich absterben. 15 Minuten bei einem Lärmpegel von 100 dB(A) haben die gleichen Auswirkungen wie 8 Stunden bei einem Lärmpegel von 85 dB(A). Gehörschäden sind bleibend!

M.A.S.: Welche Entwicklung lässt sich in den letzten Jahren bei der Berufskrankheit Lärmschwerhörigkeit feststellen? Gibt es auch Auswirkungen durch die Corona-Pandemie?

Die Zahlen für durch Lärm verursachte Schwerhörigkeit sind über die Jahre hinweg betrachtet leider nach wie vor unverändert hoch. Im Jahr 2021 haben einzig die durch COVID-19 verursachten Berufskrankheiten Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit Nummer 1 abgelöst.

M.A.S.: Warum wird der Gehörschutz in den Unternehmen noch immer nicht ernst genug genommen?

Im Vergleich zu anderen Berufskrankheiten tritt Lärmschwerhörigkeit erst nach einem längeren Zeitraum auf. Eine Erblindung oder Atembeschwerden können jedoch sofort auftreten, wenn keine bzw. falsche PSA getragen wird.

M.A.S.: Worauf muss bei der Auswahl des richtigen Gehörschutzes unbedingt geachtet werden?

Es gibt es eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen, ich kann hier nur einige nennen: Gehörschutz ist Persönliche Schutzausrüstung der Kategorie III mit den entsprechenden Anforderungen. Der verwendete Gehörschutz muss dem Stand der Technik entsprechen. Bevor die für den Arbeitsplatz geeignete Gehörschutz-PSA ausgewählt werden kann, ist in jedem Fall eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Kriterien für die Auswahl eines geeigneten Gehörschutzes sind die erforderliche Schalldämmung, der Tragekomfort, die Arbeitsumgebung, medizinische Auffälligkeiten bzw. Einschränkungen sowie die Vereinbarkeit mit anderer, am Kopf getragener PSA/Ausrüstung. Für die erforderliche Schalldämmung müssen zudem Korrekturwerte durch Fehlbedienung eingerechnet werden, d. h. für vor Gebrauch zu formende Stöpsel -9 dB, für mehrfach verwendbare Stöpsel/Bügelstöpsel/Kapselgehörschutz -5 dB, für Otoplastiken mit Funktionskontrolle -3 dB.

Ziel ist ein Tageslärmexpositionspegel am Ohr zwischen 70 und 80 dB(A); unter 70 dB(A) tritt eventuell ein Isolationsgefühl auf. Überprotektion ist unzulässig, wenn Geräusche oder Kommunikation von Bedeutung sind. Eine Kombination verschiedener Gehörschutzmittel ist bei hohen Lärmexpositionen gegebenenfalls zulässig.

Die Geräuschklasse des Lärms (hoch-/mittel- oder tieffrequent) muss bei der Auswahl ebenfalls mitberücksichtigt werden. Für Personen mit vorhandenen Hörverlusten ist die Auswahl nach der Oktavbandmethode zu treffen. Falls das nicht möglich ist, ist die HML-Methode anzuwenden. Es müssen regelmäßige Unterweisungen mit praktischen Übungen anhand der Betriebsanweisung durchgeführt und dokumentiert werden. Und vor jeder Benutzung ist eine Sichtprüfung auf einwandfreien Zustand durchzuführen!

M.A.S.: Wie kann die Trageakzeptanz von Gehörschutz erhöht werden?

Die Trageakzeptanz kann erhöht werden, wenn bereits im Auswahlprozess der Tragekomfort besonders berücksichtigt wird und Trageversuche durchgeführt werden. Gehörschützer sind auch immer personengebunden zur Verfügung zu stellen.

M.A.S.: Welche Tipps haben Sie abschließend noch für die Verwendung von Gehörschutz?

Wenn ein Gehörschutzstöpsel oder ein Kapselgehörschützer richtig sitzt, dann verändert sich normalerweise der Klang Ihrer eigenen Stimme. Sie hört sich tiefer, hohler oder gedämpft an. Wenn Sie keine Veränderung hören oder der Klang in beiden Ohren unterschiedlich ist, sitzt der Gehörschutz nicht richtig. Versuchen Sie, das Produkt noch einmal neu ein- oder aufzusetzen. Ein nicht richtig sitzender Gehörschutz kann den Anwender nicht zuverlässig schützen!

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Fotocredit: (C)adobestock/Pixel-Shot

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