Die ausgewählte Persönliche Schutzausrüstung (PSA) kann noch so gut sein. Wenn sie nicht gerne, falsch oder selten getragen wird, dann kann sie ihren Zweck auch nicht bzw. nur unzureichend erfüllen. Wir haben für Sie nachfolgend zusammengefasst, welche Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Tragebereitschaft von PSA haben.

Persönliche Schutzausrüstung muss nicht nur gegen die erwarteten Gefahren schützen und den Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen entsprechen, sondern immer auch für die jeweiligen Bedingungen am Arbeitsplatz geeignet und ergonomisch tauglich sein.

Gemeinsame Auswahl

Egal, um welche Art von PSA es sich auch handelt: Da PSA oft über einen längeren Zeitraum getragen werden muss, kommt den Faktoren Tragekomfort, Passform und Qualität ein besonders hoher Stellenwert zu. Wer seine Mitarbeiter von Anfang an miteinbezieht und bereits in den Auswahlprozess von PSA einbindet, erhöht die Trageakzeptanz und in weiterer Folge Tragebereitschaft merklich. Geben Sie Ihren Mitarbeitern daher ausreichend die Möglichkeit, durch Tragetests in der Praxis herauszufinden, ob die ausgewählte PSA auch wirklich „passt“. Unbequeme, schwere, schlechtsitzende oder bei der Tätigkeit einschränkende PSA wird auf Dauer nicht konsequent und regelmäßig getragen werden.

Eigene Damenpassformen

In Sachen Tragekomfort spielen auch geschlechterspezifische Anforderungen eine wichtige Rolle, die insbesondere bei der Entwicklung von Schutzbekleidung und Fußschutz zunehmend mitberücksichtigt werden: Immer mehr Hersteller bieten spezielle Damenkollektionen an, die sich u.a. in Sachen Schnittführung bzw. Farb- und Materialauswahl von den Herrenkollektionen unterscheiden. Ausgehend von speziell auf die Bedürfnisse eines Damenfußes entwickelten Damenleisten für Damenmodelle werden Sicherheitsschuhe mit einer perfekten Passform entwickelt – wodurch bei Frauen eine noch höhere Trageakzeptanz erzielt werden kann.

Psychologische Einflussfaktoren

Neben den oben genannten Faktoren wirken aus Sicht der Wissenschaft noch zahlreiche psychologische Einflussfaktoren auf die Tragebereitschaft von PSA. Dazu zählen z.B. kognitive Verzerrungen, die mit einem Unterschätzen des Risikos einer alltäglichen Arbeitssituation, der man bereits oft ausgesetzt war, einhergehen, oder psychische Belastungen, wie Zeitdruck oder die jeweilige Prioritätensetzung im Unternehmen. Da wir Menschen uns mit anderen Menschen austauschen und Teil einer Gruppe sein möchten, dürfen auch soziale Einflüsse, wie sie u.a. durch Gruppendynamiken im Team entstehen können, nicht unterschätzt werden. Nähere Einsichten dazu gibt Ihnen Mag.a Veronika Jakl, Arbeitspsychologin und Expertin für psychische Belastungen, im untenstehenden Interview.

PSA ist auch Chefsache!

Die Tragebereitschaft der Mitarbeiter wird zudem wesentlich davon beeinflusst, mit welchem Beispiel Sie als Führungskraft auch in Sachen PSA vorangehen. Beschäftigte merken sehr schnell, ob Ihnen bzw. der Führungsebene die Sicherheit und Gesundheit Ihrer Mitarbeiter wirklich am Herzen liegt. Auch die Art und Weise der Kommunikation ist hier von Bedeutung: Eine positive, gemeinschaftliche Gesprächsbasis bildet die beste Grundlage, damit Ihre Mitarbeiter den Sinn und Nutzen von PSA verstehen und diese auch dann tragen, wenn sie nicht „kontrolliert“ werden. Mit Vorwürfen, Maßregelungen oder Abmahnungen werden Sie das nicht erreichen.

Im Interview

Mag.a Veronika Jakl, Arbeitspsychologin und Expertin für psychische Belastungen, www.pionierederpraevention.com

M.A.S.: Welche psychologischen Einflussfaktoren wirken aus Sicht der Wissenschaft auf die Tragebereitschaft von Persönlicher Schutzausrüstung?

„Das sind einerseits kognitive Verzerrungen (auch „Bias“ genannt), wie beispielsweise das „Mir passiert das nicht“-Phänomen, wo man das Risiko unterschätzt, wenn man einer Situation schon häufig ausgesetzt war. Dann wirken auch psychische Belastungen, wie der wahrgenommene Zeitdruck oder die Prioritäten der Führungsebene. Und auch soziale Einflüsse, also Gruppendynamiken im Team und die Präventionskultur eines Betriebs, wirken sich auf die Tragebereitschaft aus. Ganz grundlegend wirken auch immer die psychischen Bedürfnisse von Einzelpersonen. Eine Person mit ausgeprägtem Freiheitsdrang lässt sich einfach ungern Dinge vorschreiben.“

M.A.S.: Die Orientierung an den Bedürfnissen der Arbeitnehmer spielt in Bezug auf PSA eine sehr große Rolle. Wie kann in der Praxis noch besser auf die Bedürfnisse eingegangen werden?

„Menschen haben sehr unterschiedlich ausgeprägte Grundbedürfnisse. Aber an folgenden Dingen kann man sich immer orientieren: Autonomie, Macht und Beziehung zu anderen. Leute wollen unabhängig sein und freiwillig eigene Ziele wählen. Sie wollen andere Menschen und Prozesse beeinflussen. Und sie wollen sich mit anderen Leuten austauschen und Teil einer Gruppe sein. Und das gilt es immer zu berücksichtigen, wenn man PSA einführt, den Einsatz kontrolliert oder auch Unterweisungen macht.“

M.A.S.: Welche Rolle spielen in diesem Prozess die Führungskräfte?

„Eine sehr große! Ich habe ja vorher beispielsweise die Prioritätensetzung erwähnt. PSA nicht zu suchen oder keine Absturzsicherung anzulegen, ist einfach schneller. Und den Beschäftigten ist ziemlich klar, ob der Führungsebene die Arbeitssicherheit wirklich ein Anliegen oder eben nur ein Lippenbekenntnis ist und eigentlich die Produktivität zählt. Und wenn eine Person von der Führungskraft dafür kritisiert wird, dass sie die PSA nicht trägt, dann spielt die Art und Weise, wie das kommuniziert wird, eine große Rolle.“

MAS: Gibt es Fehler, die Sicherheitsfachkräfte oder verantwortliche Führungskräfte in der Kommunikation vermeiden sollten?

„Absolut! Ich verstehe, dass es ärgerlich ist, wenn Beschäftigte Vorgaben nicht einhalten. Aber trotzdem sollten Sie es unbedingt vermeiden, gleich mit Vorwürfen, Maßregelung oder gar Abmahnungen zu kommen – vor allem nicht vor der versammelten Mannschaft. Und Sicherheitsfachkräfte sollten nie gleich mit gesetzlichen Vorgaben oder drohenden Strafen argumentieren. Denn das führt bei den meisten Leuten maximal dazu, dass sie „extrinsisch“ motiviert sind. Aber sobald sie das Gefühl haben, dass niemand mehr kontrolliert, geht auch die Tragebereitschaft verloren.“

M.A.S.: Haben Sie noch konkrete Tipps & Tricks, wie mit Widerstand gegen PSA in der Praxis (humorvoll) umgegangen werden kann?

„Gehen Sie mal grundsätzlich davon aus, dass die Person, die da gerade die PSA nicht trägt, gute Gründe dafür hat. Dann fängt das Gespräch schon mal positiv an und nicht als Konfrontation. Und machen Sie auch bei Witzen klar, dass Ihnen die Gesundheit und Sicherheit von Ihrem Gegenüber ein echtes Anliegen ist. Aber in einem ruhigen Moment sollte schon auch immer das Gespräch auf Lösungen gelenkt werden: „Was brauchst du, damit du die PSA wirklich regelmäßig trägst?“.“

Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Fotocredit: (C)Kübler Workwear

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