BETRIEBLICHER ARBEITSSCHUTZ & PRÄVENTION: Neue Erkenntnisse zur Wirksamkeit
Die Wissensbasis zur Wirksamkeit von Betrieblicher Gesundheitsförderung (BGF) und Prävention ist mittlerweile deutlich gewachsen, wie der aktuelle iga.Report 40 der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) untermauert. Maßnahmen in diesen Bereichen sind jedoch nicht nur wirksam, sondern rechnen sich für Unternehmen auch wirtschaftlich.
Der iga.Report 40 mit dem Titel „Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention“ stellt die bereits vierte Aktualisierung des wissenschaftlichen Kenntnisstands zur Wirksamkeit arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention auf Basis von systematischen Reviews dar. Er umfasst rund 100 Veröffentlichungen für den Zeitraum 2012 bis 2018.
Um diese mittlerweile große Wissensbasis überschaubar aufbereiten zu können, gibt es im iga.Report 40 einige Änderungen im Vergleich zu den vorangegangenen Reports: So wurde mit AMSTAR 2 eine methodische Qualitätsbewertung für alle Übersichtsarbeiten eingeführt. Die besten Arbeiten wurden mithilfe des sogenannten „RE-AIM-Modells“ ausgewertet und dabei neben der reinen Wirksamkeit auch auf Aspekte wie Erreichbarkeit, Implementierung oder Nachhaltigkeit geprüft. Die Ergebnisdarstellung folgt ebenfalls einer neuen Systematik. Zudem wurden – im Hinblick auf den Transfer der Ergebnisse in die Praxis – relevante Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen bei der Umsetzung von Maßnahmen mitberücksichtigt.
Arbeitsschutz: Wirksam und wirtschaftlich
Für Arbeitsschutzmaßnahmen deuten die wissenschaftlichen Ergebnisse auf einen positiven Nutzen für Beschäftigte und Unternehmen hin, insbesondere mit Blick auf Aspekte der Nachhaltigkeit. So gibt es für die Durchführung von Arbeitsschutztrainings deutliche Wirksamkeitsbelege. Eine hohe Evidenz zeigt sich hier vor allem für Verbesserungen des sicherheitsbezogenen Verhaltens. Ebenso gehen aus den Untersuchungen positive Effekte auf das Arbeitsunfallgeschehen durch die Einführung sicherer Arbeitsmittel hervor. Hinweise finden sich auch für einen langfristigen Rückgang des Verletzungsrisikos aufgrund von Inspektionen.
Investitionen in den betrieblichen Arbeitsschutz haben aber nicht nur positive Effekte u.a. auf die Gesundheit der Mitarbeiter, sondern rechnen sich auch wirtschaftlich: Im Durchschnitt belegen 65 Prozent der eingeschlossenen Studien einen ökonomischen Nutzen. Der umfangreichste Review dokumentiert insgesamt 47 Return-on-Investments (ROI), aus denen sich ein mittlerer ROI von 2,7 ergibt. Damit bestätigen die neuen Erkenntnisse die Befunde aus dem Vorgängerreport, der für die Reduktion von Fehlzeiten einen ROI in gleicher Höhe berichtete.
BGF: Sinnvolle Maßnahmen
Im Rahmen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) zählen Stress und psychische Störungen zu den am besten untersuchten Themenbereichen, einen neuen Forschungsschwerpunkt bildet das Thema Sitzverhalten. Aus der aktuellen Interventionsforschung ergeben sich beispielsweise u.a. folgende Hinweise, mit welchen Maßnahmen die Gesundheit von Beschäftigten erhalten und arbeitsbedingten Erkrankungen vorgebeugt werden kann:
- Laut Studienlage haben Interventionen zur Veränderung des Sitzverhaltens (z.B. höhenverstellbare Sitz-Steh-Tische) Potenzial, die Sitzdauer am Arbeitsplatz zu verringern und somit gesundheitlichen Beschwerden vorzubeugen.
- Für betriebliche Maßnahmen zur Steigerung der körperlichen Aktivität werden in der Regel kleine bis moderate Effekte berichtet. Es gibt Hinweise, dass krankheitsbedingte Fehltage durch den Einsatz von Bewegungsprogrammen effektiv reduziert werden können. Die Befunde für den Einsatz von Schrittzählern sind uneinheitlich. Positive Effekte werden für zielgruppenspezifisch zugeschnittene Programme zur Bewegungssteigerung berichtet.
- Für verhältnispräventive Maßnahmen zur Förderung gesunder Ernährung (z. B. ein gesünderes Speisenangebot in Kantinen) werden kleine bis mittlere Effekte auf ernährungsbezogene Outcomes berichtet. Kombinierte Interventionen scheinen rein verhältnispräventiven Interventionen zudem überlegen zu sein.
- Für Ansätze zur Rauchentwöhnung erweist sich der Arbeitsplatz als besonders geeignet, um die Zielgruppe zu erreichen. Sowohl gruppentherapeutische Ansätze, persönliche Einzelberatungen als auch medikamentöse Behandlungen gelten als effektiv. Vom Unternehmen gesetzte Anreize tragen zu einer höheren Teilnahmezahl bei, steigern die Anzahl derer, die mit dem Rauchen aufhören, aber nicht in vergleichbarem Maße.
Gut untersucht
Insbesondere im Handlungsfeld Stress und psychische Störungen kann die Forschung bereits mit gut untersuchten Interventionen aufwarten: Programme zur Vermeidung von Depressionen, die kognitiv-behaviorale Techniken einsetzen und mehrere Strategien miteinander verbinden, überzeugen besonders. Der Trend geht auch hier in Richtung zunehmend technologiebasierter Interventionen. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass Face-to-Face-Interventionen diesen im Hinblick auf die Reduktion von arbeitsbezogenem Stress überlegen sind.
Zu achtsamkeitsbasierten Interventionen gibt es viele Studien, von denen die Mehrzahl über positive Outcomes für die psychische Gesundheit berichtet. Auch Führungskräftetrainings, Programmen gegen die Stigmatisierung von psychischen Störungen und Maßnahmen gegen Mobbing am Arbeitsplatz werden positive Effekte bescheinigt.
Weiterer Forschungsbedarf
Auch bei Maßnahmen zur Alkoholprävention und zur Vermeidung von Substanzstörungen gilt der Arbeitsplatz als geeignete Lebenswelt für Interventionen, deren Wirksamkeit ist jedoch noch unzureichend evaluiert. Weiteren Forschungsbedarf gibt es auch im Bereich von Maßnahmen zur Prävention von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE): Für körperliche Bewegungsprogramme gibt es Wirksamkeitsnachweise in Form reduzierter Fehlzeiten. Stressmanagementprogramme und Präventionsmaßnahmen, die auf reine Wissens- und Informationsvermittlung in Unterrichtsform abzielen, erweisen sich dagegen als ungeeignet, um MSE vorzubeugen. Verhältnispräventive Maßnahmen sind hingegen noch deutlich seltener erforscht.
(Quelle: iga.Report 40 „Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention – Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz 2012 bis 2018“ von Ina Barthelmes, Wolfgang Bödeker, Jelena Sörensen, Kai-Michael Kleinlercher und Jennifer Odoy)
ZUM NACHLESEN
Der aktuelle iga.Report 40 „Wirksamkeit und Nutzen arbeitsweltbezogener Gesundheitsförderung und Prävention“ der Initiative für Gesundheit und Arbeit (iga) liefert eine Zusammenstellung der wissenschaftlichen Evidenz aus den Jahren 2012 bis 2018. Sie finden den gesamten, 110 Seiten langen Report zum Nachlesen unter www.iga-info.de .
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